EUROPÄISCHES FORUM FÜR DEN SCHULISCHEN RELIGIONSUNTERRICHT
XI. Tagung – Palermo/Carini, 14. – 18. April 2004
Schlusskommunique
„Die christlichen Konfessionen müssen lernen, die demokratischen Regeln zu respektieren, die in der europäischen Zivilgesellschaft in Geltung sind.“ – „Angesichts eines sich einigenden Europas ist es paradox und skandalös festzustellen, dass die christlichen Kirchen sich weder über ihre Ziele noch über die Art und Weise einig sind, wie sie ihren Erziehungsdienst im öffentlichen und säkularen Raum der Schule wahrnehmen.“ – „Die Beschäftigung mit den drei großen monotheistischen Traditionen – Judentum, Christum und Islam – drängt sich immer mehr als ein notwendiges Anliegen der öffentlichen Bildung eines jeden europäischen Bürgers auf“. – „Bevor man an neue Unterrichtsprogramme für den Religionsunterricht denkt, sollte man anfangen, die neuen Lehrkräfte auszubilden, und dies nicht ohne den unverzichtbaren Beitrag der staatlichen Universitäten auf dem Gebiet der Religionswissenschaften.“ – Dies sind einige der Äußerungen, die in den dichten Tagen des XI. Europäischen Forums über den schulischen Religionsunterricht zu hören waren, das in der Villa Belvedere von Carini (Palermo) vom 14. – 18. April stattgefunden hat.
Etwa fünfzig Fachleute (Schulrechtler, Philosophen, Religionspädagogen und Ausbilder von Religionslehrern) aus fast zwanzig Ländern haben sich mit dem Problem der Zuständigkeit des Staates und der christlichen Kirchen beschäftigt, was den Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen in Europa angeht, auch im Hinblick auf den gewaltigen Zuwachs um zehn weitere Mitglieder der EU. Einerseits erwächst daraus die Notwendigkeit, auf die Werte einer „neuen europäischen Bürgergesellschaft“ hin zu erziehen, einer Gesellschaft, die sich immer mehr säkularisiert und von ethischem und religiösem Pluralismus gekennzeichnet ist. Andererseits wird es immer weniger möglich, dass die christlichen Konfessionen im öffentlichen Raum der Schule über ihre eigenen Traditionen durchgängig kritisch unterrichten, ohne einerseits auf das Recht auf religiöse Unterweisung aller Bürger zu verzichten oder sich andererseits in der legitimen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bekenntnis diskriminierend voneinander abzugrenzen. Darüber hinaus wiederum ergibt sich in so gut wie allen europäischen Erziehungssystemen eine organische, unverzichtbare Annäherung – kontextuell und nicht instrumental – an die drei großen monotheistischen Abraham-Traditionen in ihrer Unterschiedlichkeit und unverzichtbaren Besonderheit, die heute aber zugänglich ist für eine schulpädagogische Behandlung, die gleichzeitig die Gleichheit der religiösen Rechte jeder Tradition respektiert als auch die gemeinsamen Regeln des demokratischen Miteinanders.
Im einzelnen tauchten in den Debatten der Referenten untereinander und der Referenten mit der Versammlung u.a. einige zwingende Forderungen auf, die – heute stärker als früher – für alle, die mit Religionsunterricht betraut sind, von Bedeutung sind:
- die Eltern müssen ihr in ihren nationalen Verfassungen oder im derzeit diskutierten Projekt einer europäischen Verfassung garantiertes „Recht auf einen Schulunterricht zur Geltung bringen können, der ihren eigenen religiösen, kulturellen und pädagogischen Überzeugungen entspricht“;
- der Staat muss die Voraussetzungen schaffen, dass jeder Bürger, ob er sich zu einer religiösen Tradition bekennt oder nicht, in der Schule einen durchgängigen Unterricht angeboten bekommt, der ihn mit ausreichender Kompetenz kritisch mit dem Phänomen Religion vertraut macht;
- Die christlichen Kirchen und die anderen religiösen Organisationen, die in Europa tätig sind, haben das Recht, mit den nationalen und lokalen Erziehungssystemen die Bedingungen für eine Zusammenarbeit auszuhandeln, um ein Erziehungsangebot zu machen, das konfessionell geprägt ist, aber auch die säkulare, plurale und demokratische Natur der öffentlichen Schule respektiert.
- Die öffentliche Schule ihrerseits muss Lehrpläne für „religiöse Kultur und Kompetenz“ erarbeiten können, wie einzelne und Gemeinschaften – was ihren Glauben und ihre Lebensweise angeht – leben. Sie sollen nicht nur das Phänomen Religion als solches objektiv beschreiben und studieren lassen, sondern ein „Erziehungslaboratorium schaffen, damit die Auseinandersetzung mit den religiös-symbolischen Unterschiedlichkeiten, statt zu Konflikten zu führen, zu einer friedlichen Begegnung wird.“
Wie im Statut vorgesehen, schritt Versammlung der eingeschriebenen Mitglieder bei den Formalien zur Wahl eines neuen Sekretärs in der Person von Dr. Johann Hisch, des Direktors des Religionspädagogischen Instituts der Erzdiözese Wien, der Stadt, die als Gastgeberin für das Forum 2006 ausgewählt wurde. Die Versammlung hat auch einen „Strauß“ von Themen vorgeschlagen, aus dem das Leitungsgremium auswählen und festlegen wird, was Gegenstand des Studiums beim Forum 2006 sein soll. Mit großer Herzlichkeit wurde auch die Einladung des Präsidenten der Europäischen Kommission für Kirche und Schule (ICCS), Prof. Peter Schreiner, entgegengenommen, in Zukunft die Beziehungen gegenseitiger Zusammenarbeit zwischen dem Forum, der ICCS und anderen europäischen Organisationen zu intensivieren, die im Bereich Religionsunterricht tätig sind.
(Übersetzung aus dem Italienischen: G.Pünder, Dresden )